Es war der 27. September, als wir uns auf den Weg machten, um die
letzten Kilometer hinter uns zu lassen und somit unserem Ziel dem
Nordkap immer näher zu kommen. Dass wir jetzt schon so kurz vor
unserem Ziel sind, hat mit unserer Entscheidung zu tun gehabt, den
Bus zur Nordkap-Insel zu nehmen. Eine Entscheidung, die uns nicht
leicht gefallen ist.
Es war schon spät am Nachmittag, als wir aus dem Bus in Honningsvåg ausgestiegen sind. Nun standen wir hier in dem kleinen Örtchen und uns trennten nur noch 30 Kilometer bis zum Nordkap. Wirklich realisieren konnten wir dies noch nicht, es schien so unwirklich zu sein, seinem Ziel plötzlich so nahe zu sein. Es ging alles auf einmal so schnell. Nachdem wir uns im Supermarkt in der Kaffee-Ecke noch einen kleinen Snack genehmigt hatten, uns und unsere Gedanken gesammelt hatten, packten wir es an – wir nahmen die letzten Kilometer in Angriff.
Wir gingen auf der E69 die Straße,
die zum Nordkap führt entlang. Uns
kamen einige Autos entgegen, die Fahrer sowie die Beifahrer, waren
außer sich, sie hupten, lächelten und winkten uns zu oder zeigten
uns nur den Daumen nach oben. Sie alle wussten genau, was unser Ziel
war und wo wir gestartet sind. Die Reaktion von den Menschen ließen
unsere Gedanken ob wir alles richtig gemacht haben in den Hintergrund
fallen und wir fühlten uns in unserer erbrachten Leistung wieder
bestätigt. Die Zweifel die wir hatten waren für einen kurzen Moment
weg. Wir lächelten und winkten zurück.
Während wir die
Straße so entlang liefen, fanden wir am Straßenrand einige Seeigel,
die die Möwen zum knacken aus der Luft fallen lassen hatten. Wir
sammelten einige schöne Exemplare auf, um diese mit nach Hause als
Andenken mitzunehmen. (Hoffentlich würden sie die Rückreise
überstehen). Aber nicht nur Seeigel haben wir gesammelt, als wir an
einer Haltebucht kurz stehen blieben um die Seeigel sicher zu
verpacken, hörten wir es im Wasser platschen. Wir schauten sofort
hin und sahen erst einmal nichts außer die Wasserringe, die noch auf
der Wasseroberfläche zu sehen waren. Wir warteten einen Moment ab
und beobachteten das Wasser, als plötzlich etwas auftauchte. Wir
konnten es kaum glauben, aber es war ein Seeotter. So
ein Exemplar sieht man heutzutage nur noch selten. Wir beobachteten
den Seeotter ziemlich lange und vergaßen sogar fast dabei die Fotos
zu machen.
Als der Seeotter im Wasser
verschwunden war und auch nicht mehr auftauchte, setzten wir unseren
Weg fort. Weit kamen wir an diesem Spätnachmittag nicht – wir
nahmen uns ein Zimmer auf einem Campingplatz, da der Himmel ziemlich
bewölkt und nach Regen aussah. (Ein nasses Zelt und evtl. ein nassen
Schlafsack, wollten wir an diesem Abend noch nicht riskieren. Denn
wer weiß wie es morgen Abend/ Nacht aussieht, wenn wir noch einmal
unser Zelt aufstellen müssen.)
Als wir uns gerade in der Gemeinschaftsküche unser Tüten-Abendessen
zubereiteten (Pasta mit Lachs), gesellte sich ein deutsches
Studentenpärchen zu uns. Die beiden waren Anfang August mit ihren
Fahrrädern irgendwo in Schweden gestartet und haben sich heute den
Nordkap bei eisigen Wind und Regen angeschaut. Sie hofften natürlich,
dass wir besseres Wetter haben würden. Wir saßen noch lange gemeinsam in der Küche als irgendwann unser
Blick durchs Fenster nach draußen viel.
Es war bereits dunkel und der Himmel war auf einmal aufgeklärt, denn
wir konnten einige Sterne sehen und tanzende graue Schleierwolken.
Moment einmal, tanzende graue Schleierwolken ?! Hatten wir nicht
solche Wolken schon einmal gesehen? Wir traten sofort ins Freie und
blickten nach oben. Der ganze Himmel war voll und je länger wir in
den Himmel blickten, um so deutlicher wurden die vermeintlich
tanzenden grauen Schleierwolken. Es waren wieder Polarlichter. Dieses
mal muss der Index ziemlich hoch gewesen sein, denn so Stark und so
viele hatten wir bisher noch nicht gesehen. Wir waren wie versteinert
und konnten unseren Blick gar nicht mehr vom Himmel nehmen. (Außer
einmal um die Daunenjacken zu holen, denn es war ziemlich kalt
gewesen)
Halb eingefroren begaben wir uns wieder ins innere in die warme
Küche. Wir schalteten in der Küche das Licht aus und setzten uns
alle ans Fenster. Bei einer Tasse heiße Schokolade, genossen wir die
Polarlichter nun von innen. :) Wieso sind wir da eigentlich nicht
vorher darauf gekommen?! :D
Zufrieden und ziemlich müde ging es für uns ins Bett.
Am nächsten Morgen viel unser erster Blick aus dem Fenster, es war zwar bewölkt, aber in der Wolkendecke konnte man etwas blauen Himmel in den Lücken entdecken. Es sah viel versprechend aus. Wir stärkten uns mit einer ordentlichen Portion Porridge, Kaffee und Tee bevor es für uns weiter ging. Wir packten uns dennoch warm ein, denn der Wind war ziemlich frisch gewesen. Eigentlich wäre unser Weg weiter an der Straße entlang gegangen. Eine lang gezogene Rechtskurve, die steil nach oben ging. Aber wieso diesen Weg nehmen, wenn man auch den direkten – eine Abkürzung - noch steiler – gehen kann? Wir blickten uns kurz an und sahen uns den Hang an, oben am Hang, ging die Straße weiter. Wir überlegten kurz und als wir Spuren von anderen Wanderern sahen, dachten wir uns, den Weg nehmen wir auch. Gesagt getan. Der Boden am Hang war ziemlich locker und wir rutschten ein paar mal weg. Oben angekommen atmeten wir erst einmal tief durch. Wir gingen weiter, dieses mal konnten wir den Anstieg nicht abkürzen, dafür waren die Hänge zu Steil oder mit Felsen überseht. Doch das machte uns nichts. Wir waren überwältigt von der Landschaft, die wir hier zur Sicht bekamen.
Bevor wir unser Zelt aufstellten, kamen wir noch an einen kleinen Sami-Souvenir-Shop vorbei. Wir gingen hinein um uns ein wenig umzusehen. Es war interessant zu sehen, denn man konnte neben der samischen Kleidung auch samischen Schmuck und andere tolle Sachen aus der samischen Kultur käuflich erwerben. Die Besitzerin des Ladens eine ältere Dame passte so richtig in den Laden rein mit Ihrer Tracht. :) Gekauft haben wir allerdings nichts, vielleicht werden wir auf den Rückweg hier noch einmal anhalten.
Wir stellten unser Zelt auf ein kleines Plato auf, wo vorher noch ein paar Rentiere „gegrast“ haben. Da es ziemlich kühl wurde verkrochen wir uns im inneren des Zeltes, wir bereiteten uns etwas zu essen zu, tranken heiße Schokolade mit den letzten Schuss, den wir uns extra aufbewahrt hatten und telefonierten mit unseren Lieben zu Hause.
Die Nacht hatte es geschneit, wir wurden morgens vom herunter rutschenden Schnee an unserem Zelt geweckt. Wir dachten uns nur na super, jetzt hat uns der Winter doch wieder ein gekriegt und wir dachten, wir hätten wenigstens etwas Vorsprung. Unsere Schlafsäcke waren zudem auch noch nass wegen der hohen Luftfeuchtigkeit. Der einzige Trost heute war es, dass wir heute Abend in einem Hotelzimmer schlafen würden und nicht in unsere nassen Schlafsäcke krabbeln müssen. (Diese wollten wir heute Abend dann im Hotelzimmer zum trocknen raus legen.)
Nach unserem letzten Frühstück im Zelt, machten wir uns daran die Schlafsäcke zu verstauen und den restlichen Inhalt im Zelt. Nachdem dass erledigt war, versuchten wir so gut es ging das Zelt „trocken“ verpacken zu können. Dies war uns leider nicht ganz gelungen, aber zumindest haben wir den größten Teil des Schnees und des Wassers draußen lassen können.
Doch unsere Gedanken waren schon längst wieder wo anders. Wir gingen
mit einem lachenden und einem weinenden Auge in Richtung Nordkap. Die
letzten 11 Kilometer standen heute an und es war irgendwie komisch.
So langsam wurde uns bewusst, dass in nur wenigen Kilometern unsere
große Reise, wovon wir die letzten 2 Jahre geträumt haben vorbei
ist und wir diese uns wirklich erfüllt hatten. Es ist schon
irgendwie verrückt und es kam uns vor als wären wir gestern erst
gestartet.
Wir genossen noch die letzten Schritte, dabei
mussten wir aufpassen auf der vereisten Straße uns nicht noch lang
zu legen. Und auch heute an diesem frühen morgen wurden wir von den
Autofahrern, die schon unterwegs waren angefeuert. Besonders von
einer „Reisegruppe“, die uns mit ihrem Van überholt hatten. Der
Van hielt ca. 1,5 Kilometer nach uns an und es sprangen Leute raus.
Einer von diesen Leuten fuchtelte mit den Armen schrie und sprang in
die Luft. So etwas haben wir nicht erwartet. Und wie sich später
raus stellte, kannten wir diese Person bereits….
Für uns waren es nun die letzten Schritte zu unserem Ziel noch 500 Meter und dann sollten wir es endlich geschafft haben. Obwohl wir noch nicht unser Ziel erreicht haben, wurden wir schon sehr emotional. Doch wir wollten uns zusammen reißen und nicht schon vorher in Freudentränen ausbrechen damit die Fotos wenigstens gut aussehen. :D
Auf den letzten Metern trafen wir auf Cato (unseren NPL-Priester,
derjenige der uns kurz vorher noch zugejubelt hatte) Cato war bereits
schon vor einigen Tagen angekommen, allerdings bei schlechten Wetter.
Er wollte heute noch einmal den Moment des ankommen bei guten Wetter
festhalten. Doch er ließ uns den Vortritt für diesen besonderen
Moment.
Und dann war es endlich soweit wir haben es geschafft :
Die letzten Tage, Wochen und Monate, liefen wie ein Film vor unseren
Augen und in unseren Köpfen ab. Wir haben es tatsächlich geschafft.
Tränen standen uns im Gesicht geschrieben. Wir waren in diesem
Moment glücklich und gleichzeitig auch überfordert mit unseren
Gefühlen.
Zur Feier des Tages, bekamen wir noch eine Flasche Champagner von Cato geschenkt und auch die anderen fremden Menschen, die dort Vorort gewesen sind, beglückwünschten und umarmten uns.
Wir hatten an diesem Tag sogar auch Glück gehabt und wurden von einem älteren Pärchen mit zurück nach Honningsvåg genommen. Von dort aus ging es dann am Nachmittag mit dem Bus zurück nach Alta wo wir uns für 2 Tage in einem Hotel eingenistet haben.
Jetzt müssen wir erst einmal die Reise und die Eindrücke die wir gesammelt haben langsam verarbeiten, dafür haben wir auf unserer Rückreise bestimmt genug Zeit.
Doch auch auf unserer Rückreise werden wir bestimmt noch einiges erleben... :)